Die Kulturdezernentin
Dr. Ina Hartwig
PRESSEINFORMATION
20.12.2019
Stadthistorisches Forschungsprojekt ausgezeichnet: Verleihung des Johann Philipp von Bethmann-Studienpreises 2019 für eine frühneuzeitliche Konsumstudie
Mit dem diesjährigen Johann Philipp von Bethmann-Studienpreis zeichnet die Frankfurter Historische Kommission die Historikerin PD Dr. Julia A. Schmidt-Funke für ihre Habilitationsschrift „Haben und Sein. Materielle Kultur und Konsum im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main“ aus. Dr. Ina Hartwig, als Kulturdezernentin Vertreterin des Magistrats in der Historischen Kommission, überreichte den 1984 gestifteten und mit 5.000 Euro dotierten Preis zur Erforschung der Frankfurter Stadtgeschichte bei einer kleinen Feierstunde am Donnerstag, dem 19. Dezember 2019, im Institut für Stadtgeschichte. Die Gattin des Stifters, Bettina Freifrau von Bethmann, die den Preis seit dessen Tod finanziert, gehörte zu den Gästen der 31. Preisverleihung.
„Die Arbeit ermöglicht höchst aufschlussreiche Einblicke in das frühneuzeitliche Frankfurt. Sie zeichnet ein differenziertes Bild der Lebensrealität dieser Epoche und zeigt ungeahnte Traditionslinien der Konsumgesellschaft auf. Die Qualität der Arbeit hat die Frankfurter Historische Kommission rundum überzeugt“, so Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig bei der Preisverleihung im Namen der Jury, der neben ihr Prof. Dr. Marie-Luise Recker, Stadtrat Dr. Bernd Heidenreich und Dr. Thomas Bauer in Vertretung von Dr. Evelyn Brockhoff angehörten. Die Jury hob hervor, dass die ausgezeichnete Arbeit nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Frühneuzeitforschung leiste, sondern auch ganz neue Einblicke in die frühneuzeitliche Stadtgesellschaft Frankfurts biete.
In ihrer Studie untersucht Schmidt-Funke den Konsum und die erworbenen Dinge am Beispiel der Reichs- und Messestadt Frankfurt am Main vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Die Autorin richtet ihren Blick auf die Vielgestaltigkeit frühneuzeitlichen Konsums und zeigt, dass vieles von dem, was die bisherige Forschung als spezifisch moderne Konsummuster begreift, schon lange Wurzeln in der frühen Neuzeit hatte. Dies betraf nicht nur die Verfügbarkeit von Fernhandelsgütern und gebrauchsfertigen Waren, sondern auch Orte und Zeiten des Einkaufens, Formen des Marketings und der Warenkunde sowie auch die Orientierung der Konsumenten an Moden. Damit schließt das Projekt an die in der angelsächsischen Forschung bereits etablierte Konsumgeschichte der Frühen Neuzeit an.
In ihrer Studie betrachtet Schmidt-Funke die Mikroebene der Stadt, nämlich die einzelnen Haushalte: sie wertet Inventare, Haus- und Ausgabenbücher und Versteigerungslisten aus und kann so Aussagen über den Konsum vor allem christlicher bürgerlicher Haushalte in Frankfurt von 1500 bis 1800 treffen. Sie berücksichtigt darüber hinaus, trotz der schwierigen Quellenlage, auch die prekären Schichten der Stadt sowie die jüdische Gemeinde. In ihrer Studie wird deutlich, dass Frauen als Mitglieder des frühneuzeitlichen Haushaltes eine zentrale Rolle im Wirtschaften spielten, nicht nur als Konsumentinnen, sondern auch als Händlerinnen, Vermieterinnen, Kreditgeberinnen oder auch Diebinnen.
Schmidt-Funke nimmt zudem die Stadt als kommerzielles Zentrum in den Fokus: Sie untersucht das wirtschaftliche Gefüge der Stadt, Orte des Einkaufens wie Kramläden und frühe Kaufhäuser sowie nicht zuletzt die Bedeutung der Messe für die Haushalte in der Stadt. Hierfür wertet die Autorin auch bildliche Darstellungen aus und kommt so zu exakten Beschreibungen der Orte des Konsums in der Messestadt.
Eindrucksvoll ist der Blick, den Schmidt-Funke in die Häuser der Stadt und auf die angeeigneten Dinge werfen kann. Dabei untersucht sie auch die Kleidungspraktiken. Sie zeigt, welche Bedeutung den Dingen zugewiesen wurde und welche Rolle sie in den Handlungen der Haushaltsmitglieder hatten – wie also das „Haben“ das „Sein“ bestimmte, Konsum als Ausdruck kultureller Identität und Differenz innerhalb der Stadtgesellschaft genutzt wurde. Indem die Frage nach den Dingen stets auch auf die mit ihnen umgehenden Menschen zielt, ergeben sich tiefgehende Einsichten in die politische und soziale Verfasstheit und vergangene Lebenswelten im frühneuzeitlichen Frankfurt.
Biographie der Autorin
PD Dr. Julia A Schmidt-Funke ist seit 2017 wissenschaftliche Koordinatorin des Sammlungs- und Forschungsverbunds Gotha. Sie studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Klassische Archäologie in Leipzig und Lyon. 2005 promovierte sie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit der Arbeit „Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft. Der Weimarer Verleger Friedrich Justin Bertuch (1747-1822) und seine politische Publizistik“. Von 2006 bis 2010 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, von 2010 bis 2017 am Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo sie sich 2017 mit der nun ausgezeichneten Arbeit habilitierte. Gutachter waren Prof. Dr. Gisela Mettele, Prof. Dr. Georg Schmidt und Prof. Dr. Gerd Schwerhoff. Schmidt-Funke hat zahlreiche Aufsätze zur Frankfurter Stadtgeschichte veröffentlicht. An der im Juni 2015 von Schmidt-Funke gemeinsam mit Prof. Schnettger in Mainz organisierten Tagung „Frühneuzeitliche Stadtgeschichte und die Herausforderung der ‚turns‘. Frankfurt am Main im Vergleich“ hat sich das Institut für Stadtgeschichte Frankfurt als Kooperationspartner beteiligt. 2018 erschien zu dieser Tagung der von Schmidt-Funke mitherausgegebene Tagungsband „Neue Stadtgeschichte(n). Die Reichsstadt Frankfurt im Vergleich“. Die Veröffentlichung ihrer Habilitationsschrift im Böhlau-Verlag in der Reihe des Instituts für Vergleichende Städtegeschichte ist in Vorbereitung.
Frankfurter Historische Kommission
Die Frankfurter Historische Kommission ist eine im Jahr 1906 vom Magistrat der Stadt Frankfurt am Main eingesetzte außerordentliche Magistratsdeputation. Sie wurde nach dem zweiten Weltkrieg durch einen Magistratsbeschluss vom 16. März 1948 wiedererrichtet und hat die Aufgabe, die systematische Erforschung der Frankfurter Stadtgeschichte durch Quelleneditionen und Publikation wissenschaftlicher Darstellungen zu fördern. Mit dem jährlich ausgeschriebenen Johann Philipp von Bethmann-Studienpreis sollen junge Wissenschaftler gefördert werden, die sich mit einer umfangreichen, längerfristigen Studienarbeit ausweisen, die geeignet ist, die wissenschaftliche Basis zur Erforschung der Frankfurter Geschichte zu erweitern. Weitere Informationen zur Frankfurter Historischen Kommission unter: www.frankhistkom.de.
Pressekontakt
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