11.11.2022 - Claudia Dathe erhält den Wilhelm-Merton-Preis für Europäische Übersetzungen 2022

Die Kulturdezernentin
Dr. Ina Hartwig

PRESSEINFORMATION
11.11.2022

Claudia Dathe erhält den Wilhelm-Merton-Preis für Europäische Übersetzungen 2022

Für ihre Übersetzungen ukrainischer Literatur wurde Claudia Dathe am Freitag, den 11. November in Frankfurt am Main mit dem Wilhelm-Merton-Preis für Europäische Überset-zungen ausgezeichnet. Die Laudatio hielt die Philologin Chrystyna Nazarkewytsch von der Universität Lwiw. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

Bei einem feierlichen Festakt im Kaisersaal des Römers verlieh die Gontard & MetallBank Stiftung gemeinsam mit der Stadt Frankfurt am Main den Wilhelm-Merton-Preis für Europäische Übersetzungen 2022 an Claudia Dathe. Ina Hartwig, Kultur- und Wissenschaftsdezernentin sowie Vorsitzende der Jury, hob in ihrem Grußwort die große mäzenatische Bedeutung des Namensgebers für Frankfurt hervor. „Wilhelm Merton, der im Jahr der Märzrevolution 1848 in Frankfurt als Kind jüdischer Eltern geboren wurde, hat sich sein Leben lang für das Gemeinwohl und die Förderung der Wissenschaften eingesetzt. An diesen bedeutenden Philanthropen erinnern wir mit dem nach ihm benannten Preis.“ Die diesjährige Preisträgerin Claudia Dathe sei eine „Meisterin der Übersetzungskunst“, fuhr die Kulturdezernentin fort. „Claudia Dathe bringt die ukrainische Literatur auf Deutsch zum Klingen.“

Chrystyna Nazarkewytsch, Literaturwissenschaftlerin und Übersetzerin an der Universität Lwiw, würdigte in ihrer Laudatio Claudia Dathes Pionierarbeit und zeichnete nach, wie diese sich nach und nach die ukrainische Literatur und Sprache erschloss: „Die Frage nach der Sprache, die damals, vor 20 Jahren, nicht einmal in der Hauptstadt aktiv gebraucht wurde, nach der Sprache, die sich die Bücherregale erkämpfen musste und die scheinbar nutzlos war, stellte sich die eigensinnige, nach Wahrheit und Gerechtigkeit strebende Lektorin immer wieder, bis sie die Literatur in dieser Sprache zu lesen begann und für sich eine neue Welt entdeckte, eine Welt, die von der sowjetischen Gleichschaltungspolitik jahrzehntelang und von dem zaristischen kolonialen Chauvinismus jahrhundertelang verdrängt und stillgeschwiegen wurde.“ Heute, sagte Chrystyna Nazarkewytsch, seien Übersetzungen wie die von Claudia Dathe von außerordentlicher Bedeutung. „Die ukrainische Literatur braucht sie, insbesondere jetzt, wo die Existenz nicht nur der Sprache, sondern auch der Ukrainer und Ukrainerinnen sowie ihres Landes in Gefahr ist.“

Zu den von Claudia Dathe übersetzen Autorinnen und Autoren, die sowohl auf Ukrainisch als auch auf Russisch schreiben, zählen unter anderem Yevgenia Belorusets, Andrej Kurkow, Tanja Maljartschuk und der diesjährige Friedenspreisträger Serhij Zhadan. Zur Preisverleihung las die Schauspielerin und Sprecherin Birgitta Assheuer Gedichte aus Zhadans Lyrikband „Antenne“ (übersetzt aus dem Ukrainischen) sowie ein Prosastück aus „Glückliche Fälle“ von Belorusets (übersetzt aus dem Russischen).

„Übersetzen von Werken aus einer kleinen Literatur bedeutet also stets auf Neue: Sichtbarmachen, zu Gehör bringen, Kontexte präsentieren, Wissenslücken schließen, postkoloniale Narrative und Stereotype dekonstruieren“, sagte Dathe in ihrer Dankesrede und fuhr fort: „Wie es mit der russischen Sprache und Literatur in der Ukraine weitergeht, ist derzeit offen. Je schneller Russland den Krieg beendet und sich aus der Ukraine zurückzieht, umso besser sind die Chancen, dass die Zweisprachigkeit nicht vollständig zerstört wird.“

Claudia Dathe wurde 1971 geboren und studierte Übersetzungswissenschaft (Russisch und Polnisch) und Betriebswirtschaftslehre in Leipzig, Pjatigorsk (Russland) und Krakau. Nach längeren Auslandstätigkeiten in Kasachstan und der Ukraine arbeitete sie von 2009 bis 2020 als Koordinatorin für Projekte zum literarischen Übersetzen und zum europäischen Kulturaustausch am Slawischen Seminar der Universität Tübingen. Seit Mai 2021 koordiniert sie das Forschungsverbundprojekt „European Times“ an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina. Sie übersetzt Literatur aus dem Russischen und Ukrainischen, unter anderem von Andrej Kurkow, Serhij Zhadan, Ostap Slyvynsky und Yevgenia Belorusets. Im Jahr 2020 wurde sie zusammen mit Yevgenia Belorusets für das Buch „Glückliche Fälle“ mit dem Internationalen Literaturpreis und 2021 für die Übersetzung von Serhij Zhadans Gedichtband „Antenne“ und Oleksii Tschupas Roman „Märchen aus meinem Luftschutzkeller“ mit dem Drahomán-Preis ausgezeichnet.

Seit 2001 verleiht die Gontard & MetallBank Stiftung gemeinsam mit der Stadt Frankfurt am Main in Erinnerung an den Mitbegründer des Frankfurter Unternehmens den Wilhelm-Merton-Preis für Europäische Übersetzungen. Mit der Auszeichnung erinnern die Stiftung und die Stadt Frankfurt am Main an den großen Mäzen und knüpfen an den ausgeprägten stifterischen Geist Frankfurts an.

Preisträgerinnen und Preisträger:
2001 Swetlana Geier / Walter Boehlich / Fritz Vogelsang
2004 Bernd Schwibs
2007 Grete Osterwald / Eva Moldenhauer
2010 Reinhard Kaiser
2013 Klaus Reichert
2016 Andrea Ott
2019 Michael Walter
2022 Claudia Dathe


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