Freitag, 28. Mai

 

18 Uhr / OpernTurm 18. OG
Junge Poetik: Thomas von Steinaecker
Moderation Dieter Stolz, Freier Lektor

Thomas von Steinaecker hat sich mit seinem furiosen Debüt „Wallner beginnt zu fliegen“ (2007), seiner Graphic Novel „Geister“ (2008) und seinem im letzten Jahr erschienenen Roman „Schutzgebiet“ als Autor einer jüngeren Generation durchgesetzt, von dem noch viel zu erwarten ist. Allein seine formalen Experimente mit dem Medium Literatur weisen ihn als einen auch poetologisch hochreflektierten Schriftsteller aus. Unter dem Titel „Das dünne Eis der Fiktion“ (FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG) zog er eine Parallele zwischen der Finanzkrise und der Krise des Romans. Dieses Plädoyer für eine neue Form der Widerspiegelung von Realität wurde zum Referenztext für die Debatte, ob es so etwas wie einen post-postmodernen Realismus gibt (oder geben sollte). Von Steinaecker hat weiter über das Thema nachgedacht und für die Reihe „Junge Poetik“ im Rahmen von literaTurm einen Vortrag verfasst.
OpernTurm, 18. OG, Tishman Speyer, Bockenheimer Landstr. 2–4 Eintritt 4 Euro
Anfahrt U6/7 (Alte Oper), alle S-Bahnen außer S7 (Taunusanlage)


18 Uhr / OpernTurm 26. OG
"Das Glück in glücksfernen Zeiten"
Lesung und Gespräch mit Wilhelm Genazino
Moderation Sandra Richter (Universität Stuttgart)

In „Das Glück in glücksfernen Zeiten“ erzählt der promovierte Philosoph Gerhard Warlich, 41 Jahre alt und als Organisationsleiter einer Großwäscherei tätig, wie seine leidlich stabile Mittelstandsexistenz innerhalb kürzester Zeit aus den Fugen gerät. Trotz „Zwangsabonnement mit der Wirklichkeit“ sei sein Leben eigentlich „eine unhaltbare Sache“, stellt er schon zu Beginn fest. Umso unersättlicher beschaut Warlich sein Ich, das ihm deshalb so kostbar zu sein scheint, weil es ihm immer mehr entgleitet. Als den „Roman zur Krise“ hat die Literaturkritik Wilhelm Genazinos „Das Glück in glücksfernen Zeiten“ bezeichnet. Auch in diesem Roman, den Kenner für seinen vielleicht besten halten, ist die Perspektive ganz konsequent die eines Angestellten in prekären Zeiten. Der Wunsch nach Sicherheit und einem bescheidenen Wohlstand aber ist heute schwerer zu verwirklichen denn je. Mit seinem unverkennbaren Sound beweist Genazino aufs Neue seine Meisterschaft, an beiläufigen Details das große Ganze zu erzählen. Weil er sich fernhält von allen Gesellschaftstheorien, eignet seinen Texten eine genuine Wahrhaftigkeit.
OpernTurm, 26. OG, Ashurst LLP, Bockenheimer Landstr. 2–4
Eintritt 6 Euro / ermäßigt 4 Euro
Anfahrt U6/7 (Alte Oper), alle S-Bahnen außer S7 (Taunusanlage)


18 Uhr / IG Metall - Main Forum
"Das Streichelinstitut"
Lesung und Gesrpäch mit Clemens Berger
Moderation Richard Kämmerlings (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

In Zeiten der Arbeitslosigkeit boomen die Ich-AGs, das ist in Österreich nicht anders als in Deutschland. Doch um nicht die hundertste Eventagentur oder den tausendsten Coffeeshop zu gründen, bedarf es einer wirklich guten Geschäftsidee. Wie wäre es mit einem „Streichelinstitut“, das den bewährten Lehrsatz des Kapitalismus, demnach der Markt die Bedürfnisse erzeugt und die Dienstleistungsgesellschaft sie erfüllt, eindrucksvoll belegt. Die Bedingung aber für ein solches Institut in Wien-Neubau, dem Eldorado für Hippies und Esoteriker, ist „Kein Sex, niemals“. Die ersten Streichelbedürftigen lassen nicht lange auf sich warten. Doch mit dem Erfolg kommen auch die Probleme. Clemens Berger hat einen ungeheuer charmanten Roman über urmenschliche Bedürfnisse in harten Zeiten geschrieben. Ein besonderes, witziges, amüsantes, melancholisches und auch sehr kluges Buch, attestiert ihm die Schriftstellerkollegin Eva Manesse.
www.streichelinstitut.com
IG Metall – Main Forum, Wilhelm-Leuschner-Str. 79
Eintritt 6 Euro / ermäßigt 4 Euro
Anfahrt Tram 12/16/21 (Baseler Platz)


19 Uhr / Schauspiel Frankfurt
Die Rückkehr des Realen in Literatur, Theater und Film
Podiumsdiskussion mit
Angela Schanelec, Filmemacherin der Berliner Schule
Dirk Knipphals, Literaturkritiker der TAZ
Oliver Reese, Intendant des Schauspiel Frankfurt
Moderation Martin Lüdke, Freier Literaturkritiker

Das kulturelle Deutungsparadigma der letzten zwanzig Jahre war der Poststrukturalismus. Eine wie auch immer geartete „Realität“ jenseits der Sprache und der Zeichen wurde dem symbolischen Tod überantwortet. Doch nicht nur in der Literatur zeichnet sich eine Rückeroberung der Wirklichkeit ab. In der Filmästhetik der Berliner Schule, der Dramatik eines Volker Lösch oder der Projektgruppe „Das Rimini Protokoll“ lässt sich der gleiche Trend zum Authentischen beobachten. In ihm manifestiert sich ein dezidierter Anspruch der Kultur auf gesellschaftliche Relevanz. Das Spiel ist durchsetzt von Partikeln des Realen, seien es Videoschaltungen in Callcenter oder entlassene Quelle-Mitarbeiter, die sich auf der Bühne „selbst spielen“. In Szene gesetzt wird unsere soziale und ökonomische Wirklichkeit in ihrer ganzen Brutalität; Fiktion und Realität diffundieren. Doch ob dieser Echtheitshype im Theater und im Film eine neue Legitimation kultureller Praxis erzeugt oder nicht vielmehr die selbstreferentielle Ästhetik der Postmoderne perpetuiert, ist zu diskutieren. Ebenso wie die Frage, warum – wie das Beispiel Helene Hegemann jüngst gezeigt hat – die künstlerisch an sich hochproblematische Kategorie der Authentizität wieder so hoch im Kurs steht.
Schauspiel Frankfurt, Chagallsaal, Willy-Brandt-Platz
Eintritt 6 Euro / ermäßigt 4 Euro
Anfahrt U1/2/3/4/5 Tram 11/12 (Willy-Brandt-Platz)

20 Uhr / OpernTurm 26. OG
"Der einzige Mann auf dem Kontinent"
Lesung und Gespräch mit Terézia Mora

Moderation Heinz Drügh, Goethe-Universität Frankfurt
„Der einzige Mann auf dem Kontinent“, das neue Buch der deutsch-ungarischen Schriftstellerin Terézia Mora, ist ein Zeitroman im besten Sinne des Wortes. Polyphon und aus zerfetzten Perspektiven wird eine Woche im Leben von Darius Kopp geschildert. Dieser Franz Biberkopf des 21. Jahrhunderts, seines Zeichens IT-Spezialist in prekären Dienstverhältnissen, lebt in Berlin-Mitte, erklärt das Surfen im Internet für selbstbestimmte Arbeit und besucht oft und gerne die angesagten Strandbars an den Ufern der Spree. Somit gehört er unverkennbar zu jener neuen sozialen Formation, die sich selbst als „digitale Bohème“ bezeichnet. Die drohende Wirtschaftskrise kündigt sich ihm als Meneteke im Kleinen an: E-Mails bleiben unbeantwortet, Handys funktionieren nicht mehr und zur gestörten Kommunikation mit anonymen Vorgesetzten in Kalifornien kommen Asthmaanfälle. Die Welt der Wirtschaft wie die des Darius Kopp gerät aus dem Lot. Terézia Mora sei, so die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, ein bestechend hellsichtiger Roman zu den Auswüchsen einer auf Luft gebauten Geschäftswelt gelungen. Diese „Dichterin in ihrer Zeit“ (Mora über Mora) löst mit ihm ein poetologisches Credo ein, das im Roman die Krise selbst verortet. Über die Poetik eines zeitdiagnostischen Romans spricht Terézia Mora mit dem Frankfurter Literaturwissenschaftler Heinz Drügh.
OpernTurm, 26. OG, Ashurst LLP, Bockenheimer Landstr. 2–4
Eintritt 6 Euro / ermäßigt 4 Euro
Anfahrt U6/7 (Alte Oper), alle S-Bahnen außer S7 (Taunusanlage)

20 Uhr / OpernTurm 18. OG
Fluchtpunkt illegal
Von Afrika nach Europa (und zurück)
Lesung und Gespräch mit Fabrizio Gatti und Björn Bicker
Moderation Maike Albath, Deutschlandfunk

Eine der großen Tragödien unserer Zeit spielt sich an den Küsten Italiens ab: Dort stranden afrikanische Flüchtlinge, werden auf Lampedusa interniert und wieder zurückgeschickt, bis sie ein weiteres Mal die lebensgefährliche Reise zur Festung Europa antreten. Doch über diese für Profiteure des Elends hochlukrative Fluchtroute erfahren wir nur sporadisch etwas; sei es dass eine Barkasse auf der Überfahrt kentert oder die Zustände in den italienischen Auffanglagern erneut eskalieren. Dabei ist diese Odyssee aus Zentralafrika erst der Beginn eines großen Exodus. Undercover hat Fabrizio Gatti, Chefreporter von L’ ESPRESSO, den Flüchtlingstreck von Dakar durch die Sahara begleitet und seine Erlebnisse in „Bilal – Als Illegaler auf dem Weg nach Europa“ geschildert. Der in München lebende Dramatiker und Schriftsteller Björn Bicker hat in seinem Erzählungsband „Illegal. Wir sind viele. Wir sind da“ denjenigen eine Stimme gegeben, die es bis Deutschland geschafft haben. Erpressbar und bar aller bürgerlichen Rechte werden sie als moderne Arbeits- oder Sexsklaven ausgebeutet. Und doch wahren sie Stärke und Würde. Bickers fiktive, wiewohl gründlich recherchierten Erzählungen sind ein Stachel im Fleisch unserer Wohlstandsgesellschaft. Sein „sehr eindringlicher, poetischer, rhythmischer, teils stakkatohafter Text bringt uns viel näher, was Migranten zu sagen haben“, so der Bayerische Rundfunk.
OpernTurm, 18 OG, Tishman Speyer, Bockenheimer Landstr. 2–4 Eintritt 6 Euro / ermäßigt 4 Euro
Anfahrt U 6/7 (Alte Oper), alle S-Bahnen außer S7 (Taunusanlage)


20 Uhr / IG Metal -  Main Forum
"Wo wirst Du sein"
Lesung und Gespräch mit Lukas Hammersteinl
Moderation Christoph Schröder, Freier Literaturkritiker

Lukas Hammerstein gelingt es immer wieder aufs Neue, die politische Wirklichkeit in Fiktion zu übersetzen, und zwar ohne Verluste auf der einen oder anderen Seite. Sein jüngst erschienener Roman „Wo wirst du sein“ spielt in einer Nacht im Frankfurter Speckgürtel und erzählt von der Entführung einer Spitzenmanagerin durch eine radikalisierte Spontigruppe. Zu ihr gehört der ehemalige Journalist Max, der in der entführten Lisa seine Kindheits- und Jugendliebe wiedererkennt. Die Gespräche zwischen der Entführten Lisa und ihrem Entführer Max wecken die Erinnerung an eine gemeinsame Vergangenheit und das Scheitern einer Liebe, die zerrieben wurde im Konflikt zwischen Anpassung und Fundamentalopposition. Hammerstein gibt in diesem raffiniert komponierten Buch eine Vorahnung davon, dass der politische Widerstand von heute an der anonymen Machtverteilung von morgen scheitern wird. Von dem Antagonismus zwischen Kapitalismus und Anarchismus werden in naher Zukunft nur mehr diffuse Reminiszenzen an ehedem klare Weltbilder bleiben. Hammerstein lotet, so schrieb das JOURNAL FRANKFURT, die Möglichkeiten des politischen Gegenwartsromans neu aus.
IG Metall – Main Forum, Wilhelm-Leuschner-Str. 79
Eintritt 6 Euro / ermäßigt 4 Euro
Anfahrt Tram 12/16/21 (Baseler Platz)

20 Uhr / Schauspiel Frankfurt
POP als Realität und Roman
Lesung und Gespräch mit Tobias Rapp, Christiane Rösinger, Jörg Sundermeier und Andreas Spechtl
Moderation Klaus Walter (Freier Musikkritiker und Radiomacher)

Christiane Rösingers Lebenseinstellung heißt Berlin-Kreuzberg. Seit den Achtzigern lebt sie im ehemaligen SO 36 und gründete dort die Band Lassie Singers, später die Formation Britta. Das letzte Britta-Album trägt denselben Titel wie Rösingers erster Roman „Das schöne Leben“, der Geschichten aus dem Grenzbereich zwischen Bohème und Prekariat erzählt. Berlin ist die Welthauptstadt der elektronischen Tanzmusik. Jedes Wochenende fallen Tausende von Ravern aus ganz Europa in die Stadt ein. Der Journalist Tobias Rapp hat das Phänomen untersucht: Sein Buch „Lost and Sound – Berlin, Techno und der Easyjetset“ ist eine neuartige Mischung aus Sozialreportage, Fan-Tagebuch, Stadtporträt und Popjournalismus. Seit 2009 ist Rapp Musikredakteur beim SPIEGEL. Wie Christiane Rösinger ist auch Jörg Sundermeier ein medialer Multitasker Berliner Prägung. In der Wochenzeitung JUNGLE WORLD publiziert er die beliebte Kolumne „Der letzte linke Student“. In Buchform ist die Reihe beim Verbrecher Verlag erschienen, dessen Leiter Sundermeier ist. Mit schmalem Budget gestaltet der Verleger ein ebenso vielseitiges wie anspruchsvolles Programm. Zudem hat sich Sundermeier als Musik- und Literaturkritiker profiliert.
Nach dem „Diskurs“ gibt Christiane Rösinger in Begleitung von Andreas Spechtl, dem Sänger und Gitarristen der Indieband Ja, Panik, eine Kostprobe ihres Könnens. Im Anschluss legt Tobias Rapp auf.
Schauspiel Frankfurt, Panorama Bar, Willy-Brandt-Platz
Eintritt 6 Euro / ermäßigt 4 Euro
Anfahrt U1/2/3/4/5 Tram 11/12 (Willy-Brandt-Platz)