Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt am Main

VALIE EXPORT ist Max-Beckmann-Preisträgerin der Stadt Frankfurt 2022

Der Max-Beckmann-Preis 2022 der Stadt Frankfurt am Main geht an die österreichische Künstlerin VALIE EXPORT. Das entschied ein Kuratorium unter Vorsitz von Kulturdezernentin Ina Hartwig sowie der Vorsitzenden des Kulturausschusses, Mirrianne Mahn, Städeldirektor Philipp Demandt und der Direktorin des Frankfurter Kunstvereins, Franziska Nori. Weitere frei zu wählende Jurymitglieder waren in diesem Jahr die Künstlerin und Dozentin an der Städelschule Monika Baer, der Bildhauer Wolfgang Winter, der Professor für Raumkonzepte an der HfG Offenbach Heiner Blum und der Kunstkritiker und ehemalige Leiter des Kulturressorts in der Rhein-Main-Zeitung der FAZ, Michael Hierholzer.

VALIE EXPORT, am 17. Mai 1940 in Linz als Waltraud Lehner geboren, ist dem Umfeld des Wiener Aktionismus zuzurechnen, obwohl er von ihren Formen der Arbeit ästhetisch, inhaltlich und formal unterschieden war. Ihren künstlerischen Ausdruck findet sie in Fotografien, Skulpturen, body performances, Videos, Großinstallationen und Texten. Früher teils hart für ihre Radikalität kritisiert, gilt sie heute als Ikone des Feminismus und Pionierin der Medienkunst. Werkblöcke von VALIE EXPORT finden sich in berühmten Museen wie dem Centre Pompidou in Paris, dem Museum of Modern Art in New York oder der Tate Modern in London.

In der Begründung der Jury heißt es: „Sie ist eine Pionierin der Medien- und Aktionskunst, des experimentellen Films und eines künstlerischen Feminismus, der seit den 1960er Jahren die vorherrschende Wahrnehmung des weiblichen Körpers in einer patriarchalischen Gesellschaft radikal dekonstruiert hat. Mit den Mitteln einer performativen Avantgarde, die auf soziale Veränderungen zielt, hat sich die 1940 geborene österreichische Künstlerin VALIE EXPORT schon früh mit Themen wie Geschlechterrollen, Zuschreibungen von Identität und der Befreiung aus Konventionen beschäftigt. Dabei hat sie Grenzen zwischen Kunsträumen und Alltagswirklichkeit, Abbild und Realität, Theorie und Praxis überschritten, ist ein hohes persönliches Wagnis eingegangen und ebnete den Weg für zahleiche Künstlerinnen, die eine entschieden weibliche Perspektive einnehmen. Die Stadt Frankfurt verleiht den mit 50.000 Euro dotierten Max-Beckmann-Preis 2022 an eine so innovative wie unerschrockene, so kompromisslose wie spielerisch agierende, so formal avancierte wie gesellschaftspolitisch wirkende Künstlerin, deren Werk auch in der Gegenwart nichts von seiner Aktualität und Relevanz eingebüßt hat. Im Gegenteil kann es als Maßstab für eine engagierte Kunst gelten, dass sie sich eine heute nicht mehr selbstverständliche Freiheit des Ausdrucks nimmt.“

Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Hartwig sagt: „Es ist uns eine besondere Ehre, den Max-Beckmann-Preis 2022 der österreichischen Künstlerin VALIE EXPORT überreichen zu können. Sie gilt heute als Ikone feministischer Kunst und hat Generationen von Nachfolgerinnen geprägt. Ihr Werk beruht auf genauer Beobachtung und Analyse von gesellschaftlichen, medialen und geschlechtsspezifischen Konstruktionen und hat bis heute nichts an seiner Aktualität eingebüßt. Ich gratuliere VALIE EXPORT zu dieser Auszeichnung herzlich. Der Max-Beckmann-Preis ist nicht nur einer der höchstdotierten Preise unserer Stadt, sondern deutschlandweit einer der bedeutendsten Kunstpreise überhaupt und unterstreicht den Stellenwert, den Frankfurt international als Kulturstadt heute einnimmt.“

VALIE EXPORT setzte sich in ihrer Jugend mit Kunstgeschichte auseinander, experimentiert mit der Fotokamera und besucht die Kunstgewerbeschule. 1960 zieht sie nach Wien. Nachdem sie 1964 die Höhere Bundeslehranstalt für Textilindustrie mit einem Diplom in Design abschließt, arbeitet sie einige Zeit zunächst in der Filmbranche als Cutterin und Script Girl. 1966 verfasst sie ihren ersten filmischen Text „AUS ALT MACHT NICHT NEU - ein Versuch der sinnlosigkeit. metaphorische bildassoziation, Projekt". 1967 nimmt sie ihren Künstlernamen VALIE EXPORT an und bringt damit ihr Bedürfnis zum Ausdruck, die eigenen Gedanken nach außen zu transportieren. Im Anschluss daran entsteht ihr erstes Kunst-Objekt, in dem sie die Zigarettenmarke Smart Export zitiert, sie aber umändert für ihre eigene Namensdarstellung.

Mit ihren Aktionen schafft VALIE EXPORT Ende der 1960er Jahre ikonische Bilder, die sich bis heute in das visuelle Gedächtnis eingebrannt haben. Die frühen Arbeiten zeichnen sich durch die Auseinandersetzung mit Feminismus, Aktionskunst und dem Medium Film – insbesondere Ende der 1960er Jahre mit der Bewegung des Expanded Cinema – aus. Eine ihrer bekanntesten Aktionen war 1968 das Tapp- und Tastkino, bei der sie bewusst und provokant die weibliche Intimsphäre durchbricht und als Frau öffentlich in eine vorherrschende Definition von Kunst eingreift; gleichzeitig stellt sie den männlichen Voyeurismus zur Schau. 1970 veröffentlichte sie zusammen mit Peter Weibel „Wien - Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film“, wofür sie in Wien wegen Verbreitung von Pornographie zu einem Monat Haft verurteilt wurde. VALIE EXPORT bricht mit ihren Aktionen immer wieder mit gesellschaftlichen Tabus und setzt ihren Körper als Waffe ein. Offensiv sucht sie nach einem weiblichen Ausdruck sexueller Selbstbestimmung, wobei sie die Kunst als Medium des Feminismus nutzt. Ihre radikale Ästhetik inspiriert feministische Protestaktionen und Künstlerkolleginnen wie Marina Abramović oder Cindy Sherman und reicht bis in die heutige Kultur- und Pop-Industrie.

Mit dem Max-Beckmannn-Preis ehrt die Stadt Frankfurt hervorragende Leistungen in den Bereichen Malerei, Grafik, Bildhauerei und Architektur. Der Preis wird alle drei Jahre vergeben. Die Verleihung erfolgte am 18. Juni 2022 durch Kulturdezernentin Hartwig in der Paulskirche. Die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde seit 1978 insgesamt fünfzehn Mal vergeben. Nach Maria Lassnig, Barbara Klemm, Agnès Varda und Cindy Sherman ist VALIE EXPORT die fünfte weibliche Preisträgerin.

Biografie der Preisträgerin

VALIE EXPORT, mit bürgerlichem Namen Waltraud Höllinger, geborene Lehner; studierte von 1956 bis 1959 an der Kunstgewerbeschule in Linz, danach Design in Wien von 1960 bis 1964. Abschluss als Diplom-Designerin. 1977 nahm sie an der documenta 6 und 2007 an der documenta 12 in Kassel teil. Mit Maria Lassnig war sie 1980 für Österreich auf der Biennale in Venedig zu sehen. Von 1989 bis 1992 hatte sie eine Professur an der University of Wisconsin-Milwaukee, School of Fine Arts. 1991 bis 1995 arbeitete sie an der Hochschule der Künste Berlin (Fachbereich Visuelle Kommunikation). Von 1995/96 bis 2005 war sie Professorin für Multimedia-Performance an der Kunsthochschule für Medien Köln. 1985 Nominierung ihres Spielfilmes „Die Praxis der Liebe“, Buch und Regie, für den Goldenen Bären der Internationalen Filmfestspiele Berlin. In den letzten Jahren hat sich VALIE EXPORT vor allem mit der Realisierung großer Videoinstallationen und Skulpturen beschäftigt. Die Künstlerin lebt heute in Wien. 2015 erwarb die Stadt Linz ihren gesamten Vorlass und eröffnete in der Tabakfabrik Linz das VALIE EXPORT Center. Ihr gesamtes filmisches Werk hat sie 2020 dem Österreichischen Filmmuseum in Wien zugesprochen.

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Max-Beckmann-Preisverleihung an VALIE EXPORT, 18. Juni, 18 Uhr
© Kulturdezernat Frankfurt am Main