Reform des Kunsthandwerks

Die erste Weltausstellung im Jahr 1851 in London stellt einen Wendepunkt in der Geschichte des Kunsthandwerks dar. In der Schau, die zur einen Hälfte Produkte aus 94 ausländischen Staaten und zur anderen Hälfte englische Werke zeigte, wurde deutlich, dass das französische Kunsthandwerk allen anderen europäischen kunsthandwerklichen Arbeiten überlegen war. Die englische Regierung reagierte sofort. Sie organisierte eine bessere Gewerbeförderung und gründete eine Institution zur Förderung von Kunst, Kunstgewerbe und Bildung, das South Kensington Museum für Kunstgewerbe mit einer angeschlossenen Schule.

Diese Maßnahmen waren die Grundlage für eine positive Entwicklung, die bereits 1862 auf der zweiten, ebenfalls in London stattfindenden Weltausstellung zu sehen war. Obwohl man in Deutschland das Defizit auf der Ausstellung 1851 und 1862 ebenfalls erkannt hatte, begann man hier erst Ende der 60er Jahre das Kunstgewerbe zu reformieren, denn erst jetzt wurde der wirtschaftliche Erfolg deutlich, den eine Förderung des Handwerks in England mit sich gebracht hatte. 1868 wurde nach Vorbild des South Kensington Museum in Berlin ein Kunstgewerbemuseum mit einer Kunstgewerbeschule als Bildungsanstalt gegründet.

Die Kunstgewerbeschulen unterschieden sich deutlich von den Kunst-Akademien. Sie richteten sich an den neuen industriellen und handwerklichen Anforderungen aus. Die Förderung und Reform des Kunstgewerbes trug zu einer Qualitätssteigerung des Handwerks bei, das durch die Umwälzungen der industriellen Revolution gelitten hatte, und wurde so auch zu einem nationalökonomischen Faktor. Die Reorganisation des kunstgewerblichen Unterrichts hatte zur Folge, dass sich viele junge Künstler und Kunstgewerbler von den historisierenden Formen, die in Architektur und Handwerk verherrschten, lossagten. In England entstand der Modern Style, in Frankreich und Belgien die Art Nouveau und in Österreich der Sezessionsstil.

Die Künstler forderten einen neuen, konstruktiven Stil. Um 1896 erschien in München eine Wochenzeitschrift unter dem Titel »Jugend«, die sich betont fortschrittlich engagierte. In ihrem Umfeld bewegten sich zahlreiche junge Künstler, unter ihnen Peter Behrens, der wenig später in die Darmstädter Künstlerkolonie berufen wird. Dem Titel der Zeitschrift verdankt der neu entstandene »Jugendstil« seinen Namen.