Zu Beginn des 20. Jahrhunderts orientierte sich die typographische Kultur in Deutschland noch größtenteils an den gebrochenen, historisierenden Schriften. In der traditionellen Buchtypographie wurden Fraktur und Antiqua-Schriften verwendet und in der Werbe- und Gebrauchsgraphik eine kunstgewerbliche, am Jugendstil orientierte Akzidenztypographie. Im Zuge der Industrialisierung hatte sich jedoch in England eine einfache, nahezu technokratische Typographie entwickelt, die ursprünglich für das Gravieren von Typenschildern und das Einfräsen von Namenszügen und Typenbezeichnungen an Maschinen aus Stahl gedacht war. Man empfand die neue Schrift, eine serifenlose Linear-Antiqua, als so absonderlich, dass man sie »Grotesk« nannte. Wer sie erfand, ist nicht bekannt.
Zu Anfang als Industrie-Schrift bezeichnet, entwickelte sich die Grotesk im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer immer gebräuchlicher werdenden Schrift. 1880 entwarf der deutsche Typograph Ferdinand Theinhardt die »Royal-Grotesk« in vier Schriftschnitten und brachte die Grotesk so nach Deutschland.
Gestalter wie El Lissitzky, Marcel Breuer, Jan Tschichold, Paul Renner und Kurt Schwitters nahmen diese Strömung auf. Angeregt durch die moderne Kunst, durch Konstruktivismus, Kubismus und Futurismus begannen sie eine neue, moderne Typographie für die noch junge Industriegesellschaft zu propagieren. Die moderne Gestaltung sollte sich nicht nur einer neuen Schrift bedienen, sondern die gesamte graphische Ordnung musste neu und von allen Konventionen befreit hergestellt werden. Man wollte auf alles verzichten, was nicht der Idee der Zweckmäßigkeit, Sachlichkeit und Einfachheit diente. Gestalter entwarfen Typisierungen für Drucksachen und Reklame. Typographie und Schrift wurde zum sichtbaren Ausdruck des neuen Bewusstseins. Die so genannte konstruierte Grotesk wurde immer populärer. 1928 entwarf der Maler und Typograph Paul Renner - angeregt durch die neue, konstruktive, als Frankfurter Hausschrift erfundene Grotesk-Schrift von Ferdinand Kramer – die »Schrift unserer Zeit«, die Futura. Im selben Jahr konstruiert Eric Gill in England die »Gill« und Morris Fuller Benton entwirft die »Amerikanische Grotesk«.
Eine Zäsur auch in der Schriftgestaltung bedeutet die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft. Zunächst wurde versucht, die Fraktur-Schriften von neuem in der Buch- und Werbegestaltung zu installieren. Sie galt als Ausdruck deutscher Identität, was sogar soweit ging, dass 1937 jüdischen Verlagen verboten wurde, Fraktur zu verwenden. Doch dann kam es zu einer seltsamen Wende. Von höchster Stelle wurde der so genannten gotischen Schrift nachgesagt, sie bestehe eigentlich aus »Schwabacher Judenlettern«. Verlangt wurde nun eine Schrift, die man auch in den von Deutschland besetzten Ländern lesen könne, eine Schrift, die dem »Zeitalter von Stahl und Eisen, Glas und Beton, von Frauenschönheit und Männerkraft« entspreche. Die Antiqua wurde zur Normal-Schrift erklärt. Die Nazis selbst hatten die Fraktur aus dem Schriftbild verdrängt und nicht wie häufig fälschlicherweise angenommen die Alliierten.
In den Nachkriegsjahren etablierte sich mehr und mehr die Grotesk-Typographie. Es entstehen Schriften wie die »Helvetica«(1958, Max Miedinger), die gemeinsam mit ihrem Derivat »Arial« heute die weltweit am weitesten verbreitete Schrift ist. Ebenfalls sehr populäre Schriften wurden - neben anderen – die Schriften »Univers« und »Frutiger« (1957/1976) von Adrian Frutiger.