Campus Westend

 

Das Erbe der 30er Jahre als Maßstab für die Zukunft

Der Frankfurter Architekt Ferdinand Heide hat den städtebaulichen Wettbewerb zum Bau der neuen Goethe-Universität hinter dem IG Farben-Gebäude gewonnen. Zweiter wurde Kraus Milkovich (Frankfurt) mit SIAT (München), Dritter pmp Architekten (München), Fünfter Braun & Voigt (Frankfurt) Was Heide vorschlägt, wird der Stadt "den einzigartigsten Campus auf dem Kontinent" bescheren, ist Uni-Präsident Rudolf Steinberg überzeugt. Um das Jahr 2015 soll die Hochschule im Westend für 600 Millionen Euro fertig sein.

Ferdinand Heide statt Ferdinand Kramer. Die Nachkriegsbauten des Universitätsbaumeisters Ferdinand Kramer an der Bockenheimer Warte werden geräumt, die Grundstücke vermarktet, um den Westend Campus, das denkmalgeschützte IG-Farben-Gelände mitgerechnet, bis hoch zur Miquelallee auf 28 Hektar Größe zu erweitern. "Hier entsteht eine neue Universität", sagte der Universitäts-Präsident, für den der Abschluss des Wettbewerbs "einen Meilenstein in der Entwicklung" setzt.

Um hinter dem IG-Hochhaus von Hans Poelzig die gewünschten Baumassen von 304 000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche unterzubringen, will Ferdinand Heide zum Nutzen der Universitäts-Institute lauter U-förmige Blocks an den Seiten des Geländes (westlich der Grüneburgpark, östlich die Hansaallee) aufreihen. Dazwischen ist auf seinem von der Jury einstimmig ausgesuchten Plan jede Menge Grün zu sehen. Der heutige Park "geht nach Norden weiter", schilderte der junge Architekt in der Pressekonferenz seine Vorstellung. In der Mitte der Anlage, ausgerichtet am heutigen Casino-Gebäude, schlägt er eine dritte Gebäude-Achse vor, an der eine weitere Mensa, aber auch Hörsäle und die Uni-Verwaltung aufgereiht werden könnten. Da merkte Uni-Präsident Steinberg aber gleich an, dass in der Mitte des neu erschlossenen Geländes Studenten wohnen und ihre Aktivitäten entfalten sollten.

Für 28 000 der 40 000 Frankfurter Studenten ist diese neue Kern-Universität gedacht; die restlichen 12 000 werden auf dem naturwissenschaftlichen Campus in Niederursel oder im Universitätsklinikum ausgebildet. Damit die Studenten auch wohnen können, sollen auf dem erweiterten Westend-Campus 20 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche Wohnraum gebaut werden. Für die Infrastruktur, etwa Kita und Studierendenhaus, würden 26 000 Quadratmeter eingerechnet. Zum Thema Parken gab es offiziell keine Angaben. Der Jury-Vorsitzende Jörg Friedrich, Architekt aus Hamburg, sagte am Rande, wie man mit den Autos auf dem Areal umgehe, das hänge "von der Parkraum-Politik der Stadt" ab. Man könne Tiefgaragen oder auch ein Parkhaus einplanen. Die Universität wolle jedenfalls "Autos so weit wie möglich draußen halten".

Alle, die Repräsentanten des Landes, der Stadt und der Universität, waren des Lobes voll für den siegreichen Entwurf von Ferdinand Heide. Für Ruth Wagner, die scheidende hessische Wissenschaftsministerin, war das Wichtigste, dass bei einer Bebauung nach diesem Vorschlag "die Sichtachsen gewahrt bleiben, die den Altbau von Hans Poelzig leben lassen". Jury-Vorsitzender Jörg Friedrich erwähnte "die Dominanz des IG-Farben-Gebäudes", die für jeden der 197 Wettbewerbsteilnehmer aus Europa und den USA erkennbar eine besondere Herausforderung bedeutet habe. Es sei eben "schwer, für einen Diamanten die richtige Fassung zu finden".

Auch der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar sah dieses Erbe der 30er Jahre als Maßstab für die Zukunft an: "Wir müssen schon beim ersten Cluster der Neubauten sehen, dass keine Brüche zu dem Denkmal entstehen", meinte der Minister, der mehrmals "eine Begeisterung" für das Projekt dieses neuen Campus im Grünen einforderte: "So eine Chance kriegen wir nie wieder." Auch Frankfurts Planungsdezernent Edwin Schwarz sagte: "Mit diesem Projekt wird für die Stadt ein großer Gewinn erzielt." Weimar regte an, auch die Architektur der einzelnen Bauten mit Bedacht auszuwählen, dann werde "diese Universität zu einem Aushängeschild für Hessen werden".

Und zwar eines, "mit dem wir uns auch in 50 Jahren noch sehen lassen können". Damit spielte der Minister auf den Zustand des Uni-Campus Bockenheim an. Man habe sich vor der Entscheidung für das Westend "natürlich auch den Baubestand der Universität in Bockenheim angesehen". Dieser erweise sich als derartig sanierungsbedürftig, dass ihm Investitionen für eine moderne Universität, "noch dazu am lebenden Organismus, betriebswirtschaftlich unsinnig" erschienen. Man wisse aber, in welch sensibles Stadtteil-Gefüge man in Bockenheim eingreife, wo bekanntlich mit Blick auf die zukünftige Nutzung der Uni-Grundstücke ebenfalls ein städtebaulicher Wettbewerb läuft.

Der Finanzminister sieht gute Chancen, mit dem Verkauf des Bücherturms, den die Deutsche Bibliothek an der Zeppelinallee zurückgelassen hat, den ersten Schritt zur Uni-Erweiterung im Westend bezahlen zu können. Er sprach von einem "erheblichen Verkaufserlös, das reicht für den ersten Cluster". Man kalkuliere aber auch mit Zuschüssen des Bundes.

Welches Institut als erstes Bockenheim verlässt, sei offen, hieß es. Bisher waren immer die Erziehungswissenschaftler genannt worden, die aus dem maroden AfE-Turm raus müssen.

Von Claudia Michels
Frankfurter Rundschau, 27.03.2003

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